30.04.20 | Protest wird lauter: Über 100 Aktivist*innen fordern bei Sterndemo: Lager auflösen, Grenzen öffnen - jetzt und überall!

Pressemitteilung des Bündnis "Lager auflösen jetzt!" - Göttingen, 30.04.20

Protest wird lauter Über 100 Aktivist*innen fordern bei Sterndemo: Lager auflösen, Grenzen öffnen - jetzt und überall!

Heute am späten Nachmittag haben sich in der gesamten Innenstadt von Göttingen kleinere Demonstrationen mit Transparenten und Fahnen auf den Weg zu einer Kundgebung am Neuen Rathaus gemacht. Unter dem gemeinsamen Motto "Lager auflösen, Grenzen öffnen - jetzt und überall!" starteten Demozüge am Uni-Campus, an der Leine, am Platz der Synagoge, am Gänseliesel , am Wilhelmsplatz und weiteren Orten. Während die Aktivist*innen durch das Tragen von Masken und das Einhalten von Sicherheitsabstand die aktuell gebotenen Hygienestandards einhielten, forderten sie lautstark, das Leben der Menschen in den Lagern in Griechenland zu schützen und endlich Geflüchtete nach Göttingen zu holen. Um 18 Uhr trafen die unterschiedlichen Demozüge mit insgesamt über 100 Teilnehmer_innen am Neuen Rathaus zusammen.

In zwei Redebeiträgen wurde der verachtende Umgang von Verwaltung und Stadtpolitik mit den Menschen in den überfüllten Lagern in Göttingen angeklagt. Dabei wurde erneut die Forderung aufgegriffen, Hotels und anderen Leerstand zu nutzen, um zumindest jedem Menschen durch ein eigenes Zimmer minimalen Schutzraum vor dem Hintergrund der Covid 19-Pandemie zu bieten. Eine Sprecherin machte auf die aktuelle juristische Lage aufmerksam: „In Sachsen wurde Anfang dieser Woche zwei Eilanträgen von Geflüchteten aus Sammelunterkünften stattgegeben. Gerichtlich wurde anerkannt, dass die Unterbringung in Sammelunterkünften eine körperliche Unversehrtheit, also die Verhinderung von Ansteckung durch Covid-19, nicht hergibt, weil Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten werden können.“ Verwaltung und Politik in Göttingen wollen die Situation allerdings offenbar aussitzen: „So müssen sich Menschen in einigen Unterkünften noch immer zu viert ein Zimmer teilen. Es gibt teilweise Gemeinschaftsduschen und -küchen, die von mehr als zehn Personen genutzt werden, sowie oftmals kaum Zugang zu notwendigen Informationen oder ausreichend Desinfektionsmittel. Selbst in den großen Unterkünften Europaallee und Zietenterrasse sind die Bedingungen nicht akzeptabel: 3 kleine Zimmer, maximal 65 qm inklusive Küche und Badezimmer für 6 Personen – d.h. je 2 Personen pro Zimmer.“

Zu diesem Zeitpunkt kam Frau Broistedt, die als Sozialdezernentin für diese Zustände mitverantwortlich ist, aus dem Neuen Rathaus und durchquerte die Demo. Die Bitte, sich die Forderungen der Demonstrant_innen anzuhören, ignorierte sie allerdings und fuhr weiter. Neben dieser Ignoranz scheint die Verwaltung auch vor Desinformationskampagnen nicht zurückzuschrecken: „Die Aktionen, mit denen sich Broistedt und Co. in den letzten Tagen durch ihre vermeintlichen ‚Wohltaten‘ für Geflüchtete schmückten – vor der Presse posierend Masken verteilen und nun eine Quarantäneunterkunft einzurichten – sind eine Farce und reichen unter keinen Umständen aus! Und dann noch seitens der Stadt zu behaupten, die Ansteckungsgefahr sei nicht höher als in einem Studentenwohnheim, ist blanker Zynismus.“

Als die Aktivist*innen gegen 18.30 Uhr den Bereich vor dem Neuen Rathaus verließen, fasten sie ihre Forderungen nochmals zusammen: Geflüchtetencamps und Massenunterkünfte sollen sofort evakuiert werden – in Griechenland, in Göttingen und überall! „Es gibt genug Platz und Ressourcen, um Menschen hier aufzunehmen und unter würdigen, sicheren Bedingungen dezentral, statt in Lagern, unterzubringen. Wohnungsleerstand und Hotels müssen genutzt werden. Geldleistungen müssen für drei Monate im voraus ausgegeben werden.“

Bereits in den letztem Wochen wurden verschiedene Protestaktionen durch Polizeikräfte teils massiv kriminalisiert. Umso wichtiger bleibt es, das Recht auf Gesundheit nicht gegen das Recht auf Gesundheit für Alle und politischen Protest auszuspielen. Das strikte Beharren von Verwaltung und Politik auf rassistische und teils gefährdende Behandlung der Menschen in Massenunterkünften in Göttingen darf nicht zu einem Normalzustand werden, sondern muss durch immer lauter werdende Proteste auf der Straße verhindert werden.

Bündnis Lager auflösen jetzt!

 

Fotos: https://www.flickr.com/photos/linksuntengoe/albums

Dokumentation weiterer Aktionen des Bündnisses auf https://omzehn.noblogs.org/

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